Mit Herzblut um das Leben


Die Camerata Academica bot beim ausverkauften Benefizkonzert eine Ausnahmeleistung.


EMMENDINGEN. "Wegen Überfüllung geschlossen": Damit benannte der Vorsitzende des Vereins Anwesen Leonhardt Alfred Schruhl eines der überaus erfreulichen Momente des Benefizkonzertes der Camerata Academica Freiburg am Sonntagvormittag. Die Steinhalle war bis auf den letzten Platz besetzt und die Überlegung, ob das Programm, das Orchester, der Benefizgrund oder das schöne Wetter vorrangig für die hohe Besucherzahl verantwortlich waren, war nicht wirklich wichtig. Wichtig war, welch andere Momente die Veranstaltung prägten und vielfältige Gratulationen verlangten.


DAS ORCHESTER
Die Camerata Academica Freiburg ist ein semi-professionelles Ensemble, das sich seit 1997 zu Projekten zusammenfindet, als Kammerorchester oder Symphonieorchester auftritt und neben aller Begeisterung für die Musik Offenheit für soziales Engagement mitbringt. Das Orchester konzertierte am Sonntag zum vierten Mal für das Anwesen Leonhardt – das letzte noch verbliebene Ackerbürgerhaus in Emmendingen.

Dass mit der Interpretation der 5. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch unbestritten ein Höhepunkt in der Geschichte des Orchester mitzuerleben war, teilte sich mit den ersten Takten mit. Der Einsatz aller, wobei sich Konzentration und Enthusiasmus die Waage hielten, trug zu einem Gesamtergebnis bei, das von einer intensiven Befassung und Eindringen in die Musiksprache Schostakowitschs geprägt war. Sich eine Projektwoche lang auf dieses gewaltige Werk einlassen, sich spieltechnisch und gestaltend damit auseinander setzen und sich im Moment der Aufführung zu einem großartigen Ergebnis zu steigern, fasste ein Spieler aus den Ersten Geigen zusammen: "Wir haben mit Herzblut gespielt, sozusagen um unser Leben". Gratulation!
 

DER DIRIGENT
Manuel Nawri, "Chefdirigent" der Camerata Academica, gelang es ein weiteres Mal, das Orchester in einer intensiven gemeinsamen Probenzeit auf eine Interpretation einzustimmen, die von einheitlicher Begeisterung für das Werk getragen war. Die 5. Symphonie von Schostakowitsch bedeutet eine besondere Herausforderung. Sie ist gewaltig in ihren Ausmaßen, gewaltig in ihren Ansprüchen was Können, Spielleidenschaft und Ausstattung angeht. Neben dem großen Orchester sind Klavier, Harfe und Glockenspiel gefordert.

Die Herausforderung einer Interpretation war glänzend gemeistert. Die Extreme zwischen leisen lyrischen Passagen (Triangel statt Becken), spöttisch-tänzerischen und extremen Steigerungen in Dynamik und Tempi waren deutlich ausgemacht und wiedergegeben. Manuel Nawris ausdrucksvollem körperlichen Dirigat war der jeweilige musikalische Duktus abzulesen, seine weichen Bewegungen riefen die romantisch-lyrischen Passagen im Schumann-Klavierkonzert ebenso stimmig ab wie sein herrischer Gestus die grotesken Walzer- oder Marschpassagen bei Schostakowitsch. Dessen 5.Symphonie liegt in Interpretationen vor, die in der Länge um mehr als eine Stunde variieren. Nawri hatte sich für eine schnelle Version entschieden, der triumphale, sich ins opulente Finale steigernde Marsch erhielt damit noch mehr abgründige Tiefe. Gratulation!

 

DER PIANIST
Auch dem Pianisten Michael Poliatskin ist zu gratulieren. Sein Spiel überzeugte durch sichere Technik und die Freiheit von jeder pianistischen Attitüde. Seine Spielweise des Klavierkonzertes von Schumann rückte das Männlich-kraftvolle dieses Werkes in den Vordergrund, die romantischen idyllischen Passagen blieben eher blass, ein Gegenentwurf zu der Interpretation von Michael Leuschner mit dem Symphonieorchester Emmendingen im Mai diesen Jahres. Pianist und Orchester brauchten einige Takte, bis sie zu einem stimmigen Miteinander gefunden hatten. Der feine Dialog zwischen Klavier und Orchester, welcher den zweiten Satz charakterisiert, war dann glänzend musiziert.

Einer Benefizveranstaltung auf diesem Niveau mit derartig zahlreichem Zuspruch und Interesse des Publikums für einen nach wie vor überzeugenden Inhalt gebührt eine extra Gratulation!

 

Hildegard Karig (19. August 2014)

Kritik von H. Karig
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